Pressemeldung

Gebrauchte Fahrzeug-Akkus sind eine wertvolle Ressource und bieten großes Geschäftspotenzial

Es war, zugegebenermaßen, ein etwas holpriger Start. Doch nun scheint das Thema Elektromobilität volle Fahrt aufgenommen zu haben. [1] In seinem „Electromobility Report 2020“ [2] geht das „Center of Automotive Management (CAM)“ von einem Wachstum der E-Fahrzeug-Zulassungen in Deutschland aus. Laut dem wissenschaftlichen Institut für empirische Automobil- und Mobilitätsforschung an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach wird der E-Fahrzeuganteil bis 2025 bereits auf 27 Prozent der Neuverkäufe steigen – wovon in Abgrenzung zu Hybridmodellen rund 65 Prozent reine Elektrofahrzeuge sein dürften.

Doch was ergibt sich aus dem Boom der Elektromobilität? Neben dem offenkundigen Zuwachs von Fahrzeugen mit erneuerbaren Antrieben entwickelt sich schon heute ein weiterer Milliardenmarkt. Studien zufolge wird mit einem Segment für „2nd Life“-Batterien von bis zu 1.000 Gigawattstunden für das Jahr 2030 gerechnet.

Trotz der Euphorie, die solch beflügelnde Zahlen schnell hervorrufen können, bleiben einige Herausforderungen bestehen. Für eine tatsächliche Erschließung des Marktes ist eine verbesserte Standardisierung und Auslegung von EV-Batterien – vor allem für deren geplantes „zweites Leben“ – sowie die Vernetzung von Marktteilnehmern und Industrien notwendig. Gleiches gilt für die Abwägung, ob die Wiederverwendung oder das Recycling für verschiedene Anwendungsfälle effektiver ist. Vor diesem Hintergrund bilden die Aspekte „Remanufacturing“ und „2nd Life“ nicht nur ein spannendes Zukunftsthema, sondern eines der entscheidenden Erfolgskriterien für eine gelungene Mobilitätswende.

In unserer vor kurzem abgeschlossenen Konsortialstudie haben wir gemeinsam mit dem Lehrstuhl „Production Engineering of E-Mobility Components“ (PEM) sowie dem Lehrstuhl „Metallurgische Prozesstechnik und Metallrecycling“ (IME) der und acht Partnern entlang der Batteriewertschöpfungskette – von Fahrzeug- und Batterieherstellern über Anlagenbauer und Zulieferer bis hin zu Start-up-Unternehmen im „2nd Life“-Bereich – Wege und Möglichkeiten identifiziert, künftig mehr aus den gebrauchten EV-Batterien zu holen. Das Projekt-Team analysierte dabei neue Ansätze und bekannte Herausforderungen.

 

„Der Elektromobilität in den Markt zu verhelfen, war unsere erste Herausforderung – und heute zeigt sich das Geschäftspotenzial. Genauso gilt es jetzt, das Potenzial des ‚2nd Life‘-Marktes für Batterien zu entwickeln. Es geht darum, Innovationen umzusetzen und Zukunft zu gestalten.“

Dr. Christoph Deutskens, CEO PEM Motion GmbH

Der Status Quo: Wo fangen wir an?

Heutige Batterien und Batteriesysteme sind nur für die erste Phase ihrer Lebensdauer ausgelegt. Das bedeutet: Bis vor kurzem wurde keinerlei Anreiz darin gesehen, sich schon während der Entwicklung oder der Produktion Gedanken über die spätere Weiterverwendung oder das Recycling zu machen. Der Wissensstand zur Diagnostik von gebrauchten Batterien mit Blick auf ihren Alterungsprozess und ihren „State of Health“ (SoH) war deshalb weitgehend unbekannt. Dies ändert sich erst allmählich mit dem Aufkommen von Unternehmen und Projekten, die sich der Thematik widmen. Die aus der Konsortialstudie gewonnene Erfahrung hat indes das Potenzial einiger Methoden bewiesen und war Anlass für weitere Forschungsprojekte, die die neuesten Technologien bewerten und verbreiten sollen.

Während aktuell eine möglichst hohe Marktdurchdringung mit E-Fahrzeugen im Vordergrund steht, blicken wir bereits einen Schritt weiter: auf die folgenden Prozesse, denn bisher gibt es kein vorherrschendes Batteriekonzept, das auf Nachhaltigkeit und Zweitverwendung sowohl beim Produkt als auch beim Prozess fokussiert ist.

Zusammengefasst, ergeben sich drei zentrale Segmente für eine effiziente Weiterverwendung der Batterien:

  1. Rechtliche Grundlagen in Form von Normen und Standards sollten sich mit „Remanufacturing“ und „2nd Life“ auseinandersetzen. Nur so kann für alle an der Wertschöpfungskette beteiligten Unternehmen eine einheitliche Richtung definiert werden. Die EU-Kommission plant mit der Überholung der Direktive 2006/66/EC über Batterierecycling indes strengere Zielwerte für Recycling-Effizienz und Weiternutzung von gebrauchten Batterien. Die Studie hat die Punkte aufgezeigt, an denen die Partner des Konsortiums arbeiten können, um sich auf das neue Umfeld vorzubereiten.
  2. Die Effizienz des Recyclings zu verbessern, ist möglicherweise nicht ausreichend. Ein wichtiger Aspekt ist auch die Auswahl der im Batteriesystem eingesetzten Materialien.
  3. Um mit dem enormen Rücklauf der Batterien angemessen umzugehen und eine hohe Rücklaufquote zu erzielen, sollte schon heute ein schlüssiges Infrastrukturkonzept auf den Weg gebracht werden.

 

„Je eher und besser wir die Fragen nach der Wieder- und Weiterverwendung von Batterien beantworten, desto umweltfreundlicher wird die E-Mobilität und desto höher wird auch ihre gesellschaftliche Akzeptanz. Wir brauchen eine Kreislaufwirtschaft. Schon heute sind wir technisch dazu in der Lage, bis zu 95 Prozent der wichtigen Materialien zurückgewinnen.“ 

Prof. Achim Kampker, Leiter des Lehrstuhls „Production Engineering of E-Mobility Components“ (PEM) der RWTH Aachen

Normen und Standards: Fragen über Fragen

Eine der großen Herausforderungen für ein „2nd Life“: Bisher gibt es keine einheitlichen Strategien im Bereich der Normen und Standards für Batterie-Recycling und -Wiederverwendung: In den meisten Dokumenten gibt es dazu entweder keine expliziten oder nur beiläufige Erwähnungen. Viele Fragen bleiben grundlegend unbeantwortet. Beispielsweise: Ab wann ist eine Batterie keine „neue“ Batterie mehr? Unter welchen Bedingungen soll sie als Abfall oder als Ware für die Umwidmung betrachtet werden? Wie lässt sich der Wert einer gebrauchten Batterie für die Umnutzung ermitteln? Welche Art von Informationen zur Demontage sollten bereitgestellt werden? Wie ist der Demontage-Prozess zu gestalten? Wie lauten die spezifischen Verfahrensregeln für die Lagerung von gebrauchten Batterien? Sollten sich die Regelungen für Recycling und Wiederverwendung unterscheiden?

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Aus diesem Grund war in unserer Konsortialstudie ein komplettes Arbeitspaket den Herausforderungen im Bereich der Normen zur Wiederverwendung von Batterien gewidmet. Das vermeintlich simple Ergebnis: Geltende Vorschriften und Normen sollten konsolidiert und überarbeitet werden. Künftige Publikationen könnten die bestehende Lücke füllen. Ein Beispiel dafür liefern die Standards für Batterie-Sekundärnutzung (SAE J2997), wo an der Entwicklung von Standards für ein Test- und Bewertungsschema gearbeitet wird, um Batterien für eine flexible und sichere Wiederverwendung vorzubereiten. Dazu wird auf bestehende oder in Arbeit befindliche Normen wie die Transport-, Kennzeichnungs- und Gesundheitszustandsnormung zurückgegriffen. SAE J2997 setzt sich dafür ein, diese Referenznormen um die erforderlichen Informationen zu ergänzen, um eine sichere und zuverlässige Verwendung auch im „2nd Life“ zu gewährleisten.

Jede Batterie ist anders: Die Grundlagen der Alterung

Die Alterung von Batterien ist ein hochkomplexes Thema, denn die einzelnen Zellen und Module innerhalb eines Batteriepacks altern in der Regel unterschiedlich schnell. Da die Gesamtkapazität von den schwächsten Zellen abhängig ist, kommt es häufig vor, dass eine Batterie nicht mehr für den Einsatz im Fahrzeug geeignet ist – ihre Kapazität also unter rund 80 Prozent SoH liegt –, obwohl durchaus noch einige funktionsfähige Zellen und Module im Pack vorhanden sind.

In unserer Studie haben wir daher fünf Batterien verschiedener Fahrzeughersteller und aus verschiedenen Lebenszyklusphasen untersucht. Dabei stellten wir fest, dass der Restwert einer Batterie – im Gegensatz zum klassischen Verbrennungsmotor – sich nicht allein durch die Fahrleistung bestimmen lässt. In unseren Alterungs-Checks betrachteten wir, welche Auswirkungen die Fahrleistung und die Art der Anwendung auf den SoH haben.

Die wesentliche Erkenntnis nach den Tests war: Im Gegensatz zum klassischen Verbrenner, der an Wert verliert, je mehr Laufleistung erbracht wurde und je länger der Motor im Betrieb war, verhält es sich mit der Alterung und der Wertermittlung bei Batterien nach dem ersten Lebenszyklus anders. Die Parameter jeder spezifischen Batterie entwickeln sich während der Alterung unterschiedlich. Andere Parameter, wie der sogenannte State of Charge (SoC) und die Temperatur üben einen größeren Einfluss aus, als es die grundsätzliche Alterung tut. Insbesondere der Widerstand steigt allmählich an, während die Zeitkonstante stark steigt, wenn die Zellen altern. Der Unterschied in diesen Werten zwischen 50 Prozent und hohem oder niedrigem SoC entwickelt sich ebenfalls mit der Alterung. Diese Eigenschaften können durch Pulstests bestimmt werden, um die Tauglichkeit einer gebrauchten Batterie für die Umwidmung zu bestimmen. Im Verlauf der Studie wurde dazu bewiesen, dass Onboard-Diagnostik-Signale verwendet werden können, um die Daten von solchen Pulstests zu erfassen, ohne die Batterie zu demontieren.

Effiziente Demontage-Lösungen

Auch bei der Demontage gibt es einiges zu beachten. Während der Studie wurden zahlreiche Batterien verschiedener Hersteller und mit unterschiedlichen Eigenschaften demontiert. Die kritischen Aspekte der Zerlegung wurden je nach Hersteller identifiziert und dokumentiert. So leiteten wir Produktstrukturen ab, um Optimierungen für künftige Demontage-Prozesse zu formulieren. Alle ausgebauten Einzelteile wurden mit Blick auf eine mögliche Wiederaufbereitung analysiert und kategorisiert.

Für die Produkte aller Hersteller kamen wir zu dem Ergebnis, dass eine Wiedermontage zwar möglich ist, ein standardisiertes Konzept für die einfache De- und Remontage aber noch nicht erkennbar ist. Gemeinsam mit unseren Partnern entwickelten wir ein Modell, mit dessen Hilfe sich auf Basis der aktuellen Verkaufszahlen Szenarien und Prozesse für die Demontage berechnen lassen. Da heute noch nicht absehbar ist, wie hoch letztlich die Verkaufszahlen liegen und wie lange die Batterien tatsächlich standhalten, war uns ein modulares Anlagenlayout wichtig. So lässt sich bei steigenden Stückzahlen die Kapazität entsprechend einfach skalieren. Bei diesem Vorschlag bleiben die Stückkosten relativ konstant, sobald eine verhältnismäßig geringe Produktionszahl erreicht wird. Werden die Annahmen durch die praktische Umsetzung bestätigt, kann diese Art der Automatisierung auch für die Recycling-Industrie profitabel sein.

Weitere Informationen zu unserem modularen und skalierbaren Planungsansatz sind unter https://pem-motion.com/success-guide/ zu finden.

Fazit

Der „Re-Use“-/Recycling-Markt für gebrauchte EV-Batterien bietet in den kommenden Jahren ein Milliarden-Volumen. Dennoch gibt es aktuell kaum Standards und Normen, um schon bei der Herstellung der Batterien den Schritt der Demontage und des „Re-Use“ zu berücksichtigen. Gemeinsam mit unseren Partnern haben wir basierend auf Marktprognosen, Wettbewerbsanalysen und den existierenden Standards und Normen einige Strategien und Prozesse für ein effizientes Remanufacturing entwickelt.

Folgende Hauptaufgaben resultierten aus unserer Untersuchung:

  • Aktuell besteht große Unsicherheit in Bezug auf regulatorische Voraussetzungen zum „2nd Use“: Gebrauchte Batterien müssen gewissermaßen Regulatorien von Neuprodukten erfüllen. Es gibt in bestehenden Normen kaum Hinweise auf Remanufacturing- und Recycling-Standards. Dies wiederum bedeutet, dass theoretisch jeder stationäre Speicher einzeln zertifiziert werden müsste – was eine wirtschaftliche Auslegung undenkbar machen würde. Ein Ansatz, die Normen und Standards zu überarbeiten, bildet die SAE J2997.
  • Im Gegensatz zum klassischem Verbrennungsmotor ergibt sich der Restwert einer Batterie nicht alleine aus Fahrtleistung und Alter. Gerade die Nutzungshistorie und das kalendarische Alter nehmen einen großen Einfluss auf den „State of Health“ der ausrangierten Batterien.
  • Für Preisverhandlungen über gebrauchte Batterien müssten künftig effizientere Testmöglichkeiten geschaffen sowie weitere Historiendaten erfasst werden. Mit Hilfe solcher Daten ließe sich in Zukunft die Preisgestaltung vereinfachen.
  • Heutige Batteriepacks sind nicht für das Remanufacturing ausgelegt. Für eine effiziente De- und Remontage müsste dieser zweite Weg der Verwendung bereits in der Herstellung respektive in der Entwicklung bedacht werden – beispielsweise bei der Verklebung der verschiedenen Teile.

Für weitere Studien, Lösungen und Projekte sind PEM Motion sowie der Lehrstuhl „Production Engineering of E-Mobility Components“ (PEM) der RWTH Aachen immer offen. Ist Ihr Unternehmen gerüstet für eine nachhaltige elektrisierte Zukunft? Sprechen Sie uns gerne an, um Ideen, Herausforderungen oder Projekte zu erörtern.

[1] https://auto-institut.de/automotiveinnovations/emobility/e-mobilitaet-in-deutschland-gesamtjahresbilanz-fuer-2020-und-prognose-2025/#:~:text=%E2%80%9C,Pkw%20entspricht

[2] https://auto-institut.de/automotiveinnovations/emobility/electromobility-report-2020-e-mobilitaet-in-deutschland/